Wir erleben gerade eine absolute Ausnahmesituation. Die beschlossenen Maßnahmen sollen die Ausbreitung des Virus verlangsamen. Sie werden von den meisten Menschen auch für richtig erachtet und unterstützt. Dennoch haben sie dazu geführt, dass der Alltag, wie wir ihn bisher kannten, nicht mehr existiert. Und keiner vermag zu sagen, wie lange dieser Zustand anhalten wird. In der Folge stellt sich für viele Unternehmensinhaber die Frage, wie lange sie ihr Unternehmen über Wasser halten können? Die soziale Verantwortung für die Mitarbeitenden wiegt ebenso schwer. Und hinzu kommen Sorgen um Angehörige, die zur Risikogruppe zählen sowie Belastungen aus der in vielen Fällen auch angespannten häuslichen Situation. Alles in Allem sind Sie als Unternehmer aktuell extrem beansprucht.

Ruhe bewahren. Nach Lösungen suchen. Die Perspektive wechseln. Das Beste daraus machen. Alle dies sind gute Strategien, um mit Problemen oder Herausforderungen konstruktiv umzugehen. Mein Job ist es, Menschen dabei zu unterstützen, sich diese Strategien anzueignen und dementsprechend kennen mich ich nicht nur sehr gut mit diesen Techniken aus, sondern wende sie auch routiniert an. Dachte ich… Denn in den letzten Tagen habe ich gemerkt, wie schnell auch mich die sorgenvollen Gedanken gefangen nehmen und blockieren. Das hat mich sehr überrascht.

Im ersten Moment habe ich innerlich geschimpft und dieses blöde Virus verflucht. Dann wurde mir bewusst, dass ich mich damit noch mehr blockiere und runterziehen lassen. Also habe ich das gemacht, was ich immer mache, wenn ich das Gefühl habe festzustecken: ich habe mir ein Blatt zur Hand genommen und einen Plan erstellt.

Anschließend fiel mir ein, dass ich diese Erfahrung teilen könnte und deswegen möchte ich Ihnen im folgenden Blogartikel zunächst einige Hintergründe erläutern, was gerade in Ihrem Gehirn vorgeht. In meiner Arbeit habe ich nämlich die Erfahrung gemacht, dass es hilfreich ist, wenn man versteht, warum man so handelt, wie man gerade handelt. Dann möchte ich Ihnen einige einfach umzusetzende Strategien vorstellen, wie Sie Ihre Sorgen im Zaun halten können.

 

Das sorgenvolle Gehirn

Unser Gehirn hat im Grunde nur eine Funktion, nämlich unser Überleben zu sichern. Die aktuelle Situation bedroht unsere Existenz. Dies führt dazu, dass die Bereiche im Gehirn die Regie übernehmen, die uns emotional steuern. Diese sind im limbischen System verortet.

Wenn diese Gehirnregionen aktiv sind, sind diejenigen blockiert, die unser logisches Denken steuern. Es fällt uns dann schwer, uns zu konzentrieren, ruhig zu bleiben, Lösungen zu finden, Entscheidungen zu treffen, besonnen vorzugehen oder kreativ zu sein.

Hinzu kommt etwas, das sich wie ein Abwärtssog darstellt: Je mehr wir unsere Aufmerksamkeit auf das Thema lenken, desto mehr erlauben wir dem Thema, uns zu beherrschen.

Man sagt, dass unsere Energie dorthin fließt, wo wir unsere Aufmerksamkeit hinlenken. In der aktuellen Situation schenken wir dem Virus sehr viel Aufmerksamkeit. Die Fernsehsender, das Internet und die sozialen Medien überfluten uns aktuell mit Meldungen über nur dieses eine Thema.

Auf diese Weise signalisieren wir unserem Gehirn, dass das Thema für uns wichtig ist und unser Fokus wird noch mehr darauf gelenkt. Der Teufelskreis hat uns fest im Griff.

In der Folge steigt das Stresslevel. Ein gestörter Schlaf und Gedankenkreisen sind die Folge und es gelingt uns immer weniger, klare Gedanken zu fassen und ruhig zu bleiben.

 

 

Welche Strategien kann ich anwenden, um meine Sorgen im Zaun zu halten?

Unser Leben steht gerade quasi still und eine unsichtbare Bedrohung nähert sich uns, die sich auf unsere Existenz auswirkt. Keiner weiß, wie es weiter geht und keiner kann vorhersehen, wie lange die Situation anhalten wird und welche Spätfolgen auftreten werden. Dies ruft eine große Unsicherheit hervor und führt zu einem Gefühl von Ohnmacht. Ohnmacht ist schwer auszuhalten und belastet uns massiv.

Aus diesem Grund greifen Maßnahmen, die bei kurzfristigen oder weniger existenziellen Situationen helfen, hier nur bedingt. Deswegen möchte ich an dieser Stelle eine Auswahl an fünf Strategien vorstellen, die leicht umsetzbar sind und ohne großen Aufwand angewendet werden können.

 

 

1. Mircomanagement kann helfen

Einer meiner letzten Blogartikel hat das Phänomen Micromanagement behandelt und aufgezeigt, wie Sie dieses vermeiden können. In dieser Situation empfehle ich es hingegen ausdrücklich!

Eigentlich hätten viele Unternehmer jetzt Zeit, strategische Themen und Projekte voranzubringen. Wenn das klappt, wunderbar! Ich vermute jedoch, dass sich dies für viele gerade als sehr schwer herausstellt. Der Kopf ist woanders, die Motivation nicht wirklich da, ggf. nehmen Sie auch eine starke Müdigkeit wahr. Sich dann selber noch Druck zu machen, die unerwartet zur Verfügung stehende Zeit, sinnvoll nutzen zu müssen, kann zur völligen Blockade führen.

Was jedoch klappen kann, sind Routinetätigkeiten. Sortieren Sie Ihre Unterlagen, entrümpeln Sie, bringen Sie Ihre Ablage auf Vordermann, strukturieren Sie Ihre Dokumentenablage oder widmen Sie sich Ihrer Inbox und sortieren, löschen und legen Sie Ihre E-Mals ab. Egal was, kleine Aufgaben, die keine große Gehirnanstrengung erfordern oder Ihnen leicht von der Hand gehen, sind jetzt willkommen. Denn den Kopf zu beschäftigen kann sehr beruhigend sein.

 

2. Die Sorgen und die Angst annehmen

Eine denkbar ungünstige Art mit Sorgen und Ängsten umzugehen ist es, diese versuchen zu unterdrücken. Denn das führt dazu, dass sie noch mächtiger werden. Ebenso kontraproduktiv sind Selbstbeschimpfungen, Kritik oder Selbstvorwürfe, denn sie greifen unser Selbstwertgefühl an und das macht es uns noch schwerer, aus dem Stress und den belastenden Gefühlen herauszukommen.

Der entgegengesetzte Weg besteht also darin, die belastenden Gefühle anzunehmen, sie zu akzeptieren und zwar ganz bewusst. Man kann sich z.B. selber sagen: „Es ist ok, dass ich gerade so fühle.“ „Es ist auch eine beängstigende Situation.“

 

3. Ablenkung

Im Umgang mit Stress unterscheidet man langfristige Bewältigungsstrategien versus kurzfristige Ablenkungsstrategien. In der aktuellen Situation halte ich es für sehr sinnvoll, sich Ablenkungs-Inseln zu schaffen. Allerdings gilt es zwischen den weniger günstigen, wie Alkohol oder anderen Rauschmitteln und günstigen zu unterscheiden. Zu den günstigen zählen aus meiner Sicht momentan z.B. Filme und Serien, lesen, künstlerische Aktivitäten wie malen, gestalten o.ä., aber auch Musik hören.

 

4. Die belastenden Gefühle skalieren

Diese Methode schließt an die zweite an. Wenn Sie sich erlauben, die belastenden Gefühle anzunehmen, können Sie noch einen Schritt weiter gehen. Die Forschung hat festgestellt, dass es das belastende Gefühl reduziert, wenn Sie das Gefühl zudem konkret benennen und skalieren. Also z.B. in sich hinein fühlen und sich sagen: „Das ist Angst, was ich gerade spüre und auf einer Skala von 1 bis 10 liegt sie gerade bei 8.“

 

5. Sorgen vertagen

Diese Maßnahme hört sich auf den ersten Blick vielleicht etwas albern an. Der niederländische Forscher Ad Kerkhof, der sich seit 30 Jahren mit der Frage beschäftigt, welche Ereignisse und Gedanken Menschen in den Selbstmord treibt, hat jedoch folgendes festgestellt: Es funktioniert zwar nicht, sich vorzunehmen, keine Sorgen zu machen. Wir sind aber in der Lage, uns aktiv und bewusst Sorgen zu machen. Er rät dazu, z.B. zweimal am Tag eine Zeitfenster von 10 bis 15 Minuten festzulegen, in dem man seine Sorgen notiert und sich dazu Gedanken macht.

 

Wer doch noch etwas tiefer in das Thema einsteigen möchte, wie man mit solchen Situationen, denen man sich nicht entziehen kann, umgehen und distanzieren kann, dem empfehle ich das Buch von Viktor E. Frankl „… trotzdem Ja zum Leben sagen – Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslage“. Seine Erfahrungen haben ihn zu einem Vordenker der Resilienzforschung gemacht und stellen das Prinzip der Sinnhaftigkeit dar.

 

Bleiben Sie gesund und kommen Sie gut durch diese Zeit!