Ertappen Sie sich auch manchmal bei dem Gedanken, dass Sie am liebsten alles selber tun würden, damit Sie sicher sind, dass es auch anständig erledigt wird? -dann hängt Ihr Team möglicherweise in der Falle der erlernten Hilflosigkeit.

Was es damit auf sich hat und wie Sie Ihr Team und sich da wieder rausführen, zeige ich in diesem Blogartikel auf.

Was ist erlernte Hilflosigkeit?

Martin Seligman, der Begründer der positiven Psychologie, hat diesen Begriff bereits 1967 geprägt. Gemeinsam mit seinem Kollegen führte er Versuche mit Hunden durch und entdeckte dabei dieses psychologische Phänomen, was er auf den Menschen übertrug und zur Erklärung von Depressionen herangezogen. Erlernte Hilflosigkeit beschreibt die Überzeugung, bestimmte Gegebenheiten nicht beeinflussen zu können. Dies führt dazu, dass Personen unangenehme Situationen erdulden, obwohl sie sie objektiv betrachtet, ändern könnten. Sie sind in der Opferhaltung gefangen. Diese erlebte Machtlosigkeit wirkt sich negativ auf die Motivation und das Verhalten aus.

Bezogen auf Mitarbeitende stellt sich das Phänomen der erlernten Hilflosigkeit folgendermaßen dar: Bei einem Teil, oder manchmal auch dem gesamten Team, herrschen Apathie und Ohnmacht vor, eigenständiges Denken ist nicht zu erkennen und eigenverantwortliches Handeln so gut wie nicht vorhanden.

 

Wie entwickelt sich erlerne Hilflosigkeit in Unternehmen?

Wer jetzt hofft, dass der Grund für die erlernte Hilflosigkeit in den Mitarbeitenden liegt, den muss ich leider enttäuschen. Das Dilemma ergibt sich aus der Wechselwirkung zwischen Führungskraft und Team. Der Ursprung liegt häufig in einer unbewusst engmaschigen Führung oder einer in der Vergangenheit autoritär geprägten Führungskultur sowie der damit einhergehenden Dynamik.

Wird engmaschig geführt bedeutet dies, dass die Führungskraft die Tendenz zu Überkontrolle hat. Ein autoritärer Führungsstil ist von Macht geprägt, in sehr ungünstigen Fällen kommen zudem Willkür und cholerisches Verhalten hinzu.

Als Gegengewicht entwickeln die Mitarbeitenden Verhaltensweisen, die auf Zurückhaltung und Absichern ausgerichtet sind. Man wagt sich nicht mehr zu weit raus. Es werden weder eigenständig Entscheidungen getroffen noch Risiken eingegangen. Dies hat zur Folge, dass die Mitarbeitenden mit jedem noch so kleinem Problem bei der Führungskraft auflaufen und die Verantwortung an sie abgeben, aus Angst, Fehler zu machen.

Die Führungskraft wiederum fühlt sich geschmeichelt und auch wichtig und freut sich, dass ihre Expertise gefragt ist. Verfestigt sich die Situation führt dies zur Überlastung der Führungskraft und die beschwert sich in der Folge zunehmend über die Unfähigkeit der Mitarbeitenden.

Jeder Versuch, die Verantwortung wieder zurückzudelegieren scheitert. Damit wächst die Unzufriedenheit mit dem Team. Unbemerkt bleibt dabei jedoch der eigene Anteil, der zu dieser Situation geführt hat. Beide Seiten verharren in ihrem Verhalten und die Situation verhärtet sich, weil die Führungskraft irgendwann den Druck, den sie selber erlebt auf das Team überträgt. Dieses führt zu Angst auf Seiten des Teams und die Mitarbeitenden legen ein noch stärker sicherheitsbetontes Verhalten an den Tag. An dieser Stelle stecken beide Seiten fest, verlieren gegenseitige Empathie und das Arbeitsklima ist zunehmend von Misstrauen und Argwohn geprägt.

Anzumerken bleibt, dass das Ganze absolut unbewusst abläuft. Als Führungskräfte neigen wir dazu, sehr schnell zu denken und sind regelrechte Problemlöse-Supermen bzw. -superwomen. Dies verleitet geradewegs dazu sofort parat zu stehen, wenn sich ein Problem auftut und postwendend die Lösung anzubieten.

 

Wie kann erlernte Hilflosigkeit überwunden werden?

Zur Überwindung der erlernten Hilflosigkeit und um den Teufelskreis zu durchbrechen, ist eine Entwicklung als Führungskraft notwendig. So leid es mir tut: es hängt von uns Führungskräften ab, ob die Mitarbeitenden selbstverantwortlich handeln oder eben nicht.

Dies musste ich in meinen Anfangszeiten auf eine harte Art und Weise lernen. Die gute Nachricht ist jedoch, dass es phantastisch funktioniert, wenn man erst einmal den Dreh raus hat.

Also worum geht es? –Man könnte sagen es geht darum gleichzeitig Freiräume zuzulassen und Sicherheit zu geben, ohne in einen Kontrollmodus zu verfallen.

Folgende fünf Führungsinstrumente sind dafür relevant:

  1. Als Führungskraft Begleiter sein, nicht Problemlöser: Hier geht es darum, die Zügel loszulassen, sowohl in Hinblick auf die Neigung, Probleme selber lösen zu wollen, als auch Aufgaben an sich zu reißen. Falls ein Mitarbeitender mit einem Problem zu Ihnen kommt, unterdrücken Sie die Neigung, ihm oder ihr die Lösung vorzugeben, sondern gehen Sie einen Schritt zurück und bringen Sie ihn oder sie über Fragen dazu, selber auf die Lösung zu kommen. Dies führt dazu, dass er oder sie an dem Problem wachsen kann und die Problemlösetechnik, die Ihnen in Fleisch und Blut liegt, selber zu erlernen.
  2. Den Rahmen festlegen: Damit die Mitarbeitenden sich eigenverantwortlich verhalten können, brauchen sie Sicherheit. Diese Sicherheit bietet ein klarer Rahmen, in dem sie sich bewegen können. Hierzu gehören allgemeine Richtlinien, Verhaltensregeln, der Kompetenz- und Entscheidungsrahmen sowie nutzbare Ressourcen etc. Diese sollten Sie im Team bzw. im gesamten Unternehmen definieren und transparent machen.
  3. Verantwortung delegieren: Es macht einen großen Unterschied, ob ich Verantwortung delegiere oder lediglich eine Aufgabe delegiere. Bei der Aufgabendelegation sage ich was ich will und wie ich es will. Diese Art der Delegation führt zu Resignation und erstickt Eigenverantwortung im Keim. Bei der Delegation der Verantwortung gebe ich ein Ziel vor und definiere klar die Kriterien der Zielerreichung. Ich lasse allerdings das WIE offen. Das bedeutet, die Mitarbeitenden sind frei, ihren eigenen Weg zu wählen. Wichtig hierbei ist auch wieder einen klaren Rahmen zu definieren, in dem sich die Mitarbeitenden bei der Zielerreichung bewegen dürfen.
  4. Eine Fehlerkultur etablieren: Wir sagen zwar, dass wir durch Fehler lernen, aber in unserer westlichen Kultur meinen wir das eigentlich nicht wirklich so. Fehler sind in unserer Leistungsgesellschaft verpönt, sie sind ein Makel. In östlichen Kulturen wird mit Fehlern völlig anders umgegangen. Dort sind Fehler willkommen. Fehler zu tolerieren ist unbedingt notwendig, um Eigenverantwortlichkeit zu stärken. Es werden Fehler passieren, das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche. Die entscheidende Frage lautet: wie gehen wir mit Fehlern um? Die Antwort: idealer Weise so, dass nicht nur die Person, der der Fehler unterlaufen ist daraus lernt, sondern das gesamte Team bzw. das ganze Unternehmern. Voraussetzung ist, dass Fehler angstfrei kommuniziert werden können und, dass sich ein Verbesserungsprozess daran anschließt. Dieser kann z.B. in die Phasen Analyse, Lösungssuche, Testung und Festschreibung des Lösungsweg als neuer Standard gegliedert werden. Hiermit ist das Schlagwort „lernende Organisation“ gemeint.
  5. Konsequenzen durchsetzen: Eines der spannendsten Phänomen, die mir in Teamentwicklungsprozessen fast immer begegnen ist der Punkt, an dem die Teammitglieder Konsequenz von ihrer Führungskraft fordern. Sie möchten, dass diejenigen, die sich nicht an die Regeln und Abstimmungen halten, gemaßregelt werden. Und dies ist tatsächlich extrem wichtig, um Eigenverantwortung zu stärken. Fällt hingegen eine Konsequenz für diejenigen aus, die sich nicht an die Spielregeln halten, zieht es diejenigen, die sich nach den Regeln richten runter. Die Folge ist ein Sinken des Engagements und der Motivation. So schwer es also fällt: Seien Sie konsequent und werden Sie kreativ was disziplinarische Maßnahmen angeht. Reduzieren Sie z.B. Annehmlichkeit, wie freie Getränke, flexible Arbeitszeiten, die Nutzung eines Firmenhandys, Einzelbüros… Idealer Weise fertigen Sie eine progressive Liste an. Und ganz wichtig: die Maßnahmen setzten Sie NUR für diejenigen ein, die sich nicht an die Regeln halten, auf keinen Fall fürs gesamte Team!!

Eine ganz wichtige Anmerkung noch zum Schluss. Ein Unternehmensinhaber fragte mich einmal im Rahmen des Coaching-Prozesses: „Wann bin ich denn fertig?“. Auf diese Frage gibt es nur eine Antwort: „Nie!“. Unsere Führungsaufgabe endet nicht, wie haben unser Team nicht irgendwann soweit, dass es komplett alleine läuft. Allerdings verändern sich unsere Aufgaben, wenn wir konsequenter führen und der Spaßfaktor nimmt zu. Das beste Gefühl ist es wahrzunehmen, dass das Team es für Dich tut.

In diesem Sinne: frohes Führen!