Wir alle haben kleine Tyrannen in uns, die sich mal lauter, mal leiser bemerkbar machen. Das kann der Hang zum Perfektionismus sein, oder der Drang es möglichst allen recht machen zu wollen, oder auch ganz allgemein hohe Anforderungen, die wir an uns selbst stellen.
Wenn dieses Streben in einem moderaten Maß ausgeprägt sind, macht es uns selten zu schaffen, sondern treibt uns an. Wenn es sich jedoch um ausgewachsene Tyrannen handelt sind es oft große innere Stressoren, die uns den Schlaf rauben, zu Gedankenspiralen führen und uns mit einem permanenten „Du musst…“ im Nacken sitzen. 

Wie geht man nun mit diesen inneren Kritikern und Antreibern um?

Im ersten Schritt geht es darum, die jeweiligen Stimmen zu identifizieren und einem übergeordneten Themenbereich zuzuordnen:

Hierzu sind zunächst eine Selbstbeobachtung und der Blick nach innen wichtig, um herauszufinden, in welchen Situationen die Tyrannen sich melden.

Folgendes Schema kann dabei helfen:

  • Was ist in der Situation vorgefallen?
  • Was war der Auslöser zur Aktivierung des inneren Tyrannen?
  • Wer war beteiligt?
  • Was habe ich gedacht?
  • Wie habe ich die Situation bewertet?

Die Beobachtung sollte mindestens über einen Zeitraum von einer Woche gehen. In dieser Woche wird jedes Mal, wenn eine Situation aufgetreten ist in der die innere Stimme aktiv wurde und mich zu etwas antreibt, was ich eigentlich nicht will, die Situation kurz schriftlich festgehalten.

Beispiel: Ein Freund fragt, ob ich am Wochenende beim Umzug helfen kann.

Hier kann der Auslöser ein innerer Konflikt in folgender Form sein: „Eigentlich habe ich Zeit und könnte helfen, aber ich habe gar keine Lust. Nur hat er mir auch schon beim Umzug geholfen und mir ist Hilfsbereitschaft wichtig. Aber ich bin auch ziemlich erschöpft von der Woche. Ich möchte aber nicht, dass er schlecht von mir denkt…“

Nach der Woche können die Situationen dann ausgewertet und analysiert werden. Hierzu können folgende Leitfrage dienen:

  • Was haben die Situationen gemeinsam?
  • Was genau sagt mein innerer Antreiber zu mir?
  • Welche Erwartungen habe ich in der Situation?
  • Was befürchte ich, wenn ich ihm nicht nachgebe?

Bezogen auf das Beispiel kann es sein, dass alle Situationen damit zu tun hatten, einer Bitte von anderen Menschen nachgekommen zu sein, obwohl es im Grunde nicht passte. Das Überthema wäre dann das Streben, es allen recht machen zu wollen.

Mögliche Erwartungen an sich selber könnten sein: ein guter Freund, ein hilfsbereiter, ein sozialer Mensch sein zu wollen. Die Befürchtung könnte darin bestehen, nicht mehr gemocht zu werden oder die Freundschaft in Gefahr zu bringen.

Im Schritt zwei geht es dann darum eine Gegenstrategie zu entwickeln.

Hierbei hilft es, sich mental zu unterstützen und dem Antreiber einen Erlauber gegenüber zu stellen. Dieser Erlauber kann in Form eines Mottos entwickelt werden.

Dieses könnte in unserem Beispiel lautet: „Ich darf auch mal „nein“ sagen!“

Weitere Mottos:

Für den Perfektionisten                    „Gut ist auch mal gut genug!“

Für den Über-Performer                   „Ich darf es mir leichter machen.“

                                                                      „Ich darf um Hilfe bitten.“

Für den inneren Feind                      „Ich weiß, dass ich es schaffe und vertraue auf meine                                        Fähigkeiten.“

Für den Katastrophisierer                „Ich kann mit jeder Situation umgehen.“

Für den Kontroll-Freak                     „Ich akzeptiere, was ich nicht ändern kann.“

Wer selber ein Motto ableiten möchte beachte bitte Folgendes:

Das Motto sollte positiv, in der Gegenwart und knapp formuliert werden.

Eine weitere Maßnahme, die mit dem Motto verknüpft werden kann, könnte darin bestehen, achtsamer gegenüber dem Antreiber zu werden und sich Zeit zu verschaffen, sobald er sich meldet. Dies kann mit einem kleinen Ritual geschehen. Die Technik nennt man Konditionierung. Das Ritual könnte z.B. ein tiefes Einatmen sein und zu sich selbst sagen: „Ach da spricht gerade mein Antreiber. Ich nehme mir jetzt Zeit zu prüfen, wie ich mit der Situation umgehen möchte.“

Durch diesen kleinen Trick wird der Automatismus unterbrochen, der hinter unseren Antreibern steht und wir haben die Möglichkeit eine Entscheidung zutreffen, nämlich, ob wir dem Antreiber folgen wollen oder uns in diesem Fall gegen ihn entscheiden.

 

Im dritten und letzten Schritt geht es um die regelmäßige Anwendung der Gegenstrategie.

Hier meldet sich häufig ein innerer Anspruch, dass es sich sofort verändern soll. Den muss ich leider enttäuschen: Innere Muster haben sich häufig über sehr lange Zeit gebildet. Sie sind zwar nicht unveränderlich, aber dennoch braucht es etwas Zeit, um ein neues, unterstützendes Muster zu entwickeln. Der Preis ist also Geduld zu haben und regelmäßig (idealerweise täglich) zu trainieren, aber es lohnt sich, denn der Gewinn ist das Erreichen von innerer Freiheit und Selbstbestimmtheit.