Das Mantra „Wer schreibt, der bleibt“ aus deutschen Büros klingt überholt, doch im Privaten liegt Schreiben voll im Trend. „Journaling“ umschreibt die schriftliche Selbstreflexion. Wer sich selbst schreibt, hält Antworten auf eigene Fragestellungen fest, die nur als Gedanken formuliert, häufig unbeantwortet blieben.

Als Kind haben wir dem Weihnachtsmann oder dem Christkind unseren Wunschzettel geschrieben. Später haben wir unserem Tagebuch unsere größten Geheimnisse anvertraut. Ob langjährige Brieffreundschaft oder nur ein einziger Liebesbrief – mit Stift auf Papier konnten wir in einen Dialog treten und unsere Gefühle ausdrücken. Das ist alles schon sehr lange her, doch funktioniert es heute immer noch. Wann hast Du zuletzt einen Brief geschrieben? Und hast Du jemals einen Brief an Dich selbst geschrieben?


In einer Zeit, in der alles immer schneller geht und gehen muss, bleibt kaum Zeit für den Dialog mit uns selbst. Wir funktionieren im Alltag häufig nur noch, ohne uns zu fragen: Was will ich eigentlich? Was macht mich glücklich?

Mit Journaling können wir uns diesen Fragen bewusst widmen. Und das Beste: Wir können ganz offen sein. Keine Antwort muss so formuliert werden, dass sie niemanden verletzt. Du kennst das Phänomen sicher aus Gesprächen mit Familie, Freunden oder Arbeitskollegen.

Irgendwann kommt es zu einem Thema, das Dir in der Runde vielleicht etwas unangenehm ist: Kinderwunsch, Karriereambitionen etc. Je nachdem, wer gerade zuhört, formulierst Du Deine Antworten. Du möchtest niemandem zu nahetreten, Du bist Dir nicht sicher, was Dein Gegenüber von deiner ehrlichen Antwort halten würde und vielleicht weißt Du die Antwort auch gar nicht, möchtest dies aber in diesem Moment nicht zugeben.

Beim Journaling bist Du alleine mit Deinen Gedanken. Niemand sieht, was Du niederschreibst. Das kann sehr befreiend sein und Dich vor allem mehr zu Dir selbst finden lassen.

 

Erkenntnisgewinn zum Nachlesen

Wer sich beim Journaling mit sich selbst beschäftigt, lernt sich besser kennen und stärkt sich selbst – dank Selbstreflektion. Denn manchmal sehen wir gar nicht, was wir in unserem Leben schon alles geleistet haben. Doch es gibt so viele Dinge, auf die Du stolz sein kannst. Auch Kleinigkeiten, für die Du dankbar bist und die Dich glücklich machen, sind einen Eintrag beim Journaling wert.

In meinem Blogbeitrag „Glückstagebuch“ kannst Du nachlesen, wie Du Dir täglich Deine eigenen Glücksmomente bewusster machen kannst und dadurch glücklicher wirst. Beim Journaling kannst Du Dich ganz auf Dich und Deine Wünsche und Ziele konzentrieren. Was ist Dir persönlich in Deinem Leben wichtig? Was möchtest Du erreichen? Schreibe es für Dich auf. Ohne darüber nachzudenken, was Dein Partner, Deine beste Freundin oder die Arbeitskollegen davon halten würden. Es sind Deine Gedanken, denen Du einen Raum gibst.


Vielleicht kennst Du aus der Innenarchitektur ein sogenanntes Moodboard, auf dem man Stoffe, Farben und Möbel zusammenstellt. Beim Journaling ist es ähnlich: Du schreibst Deine Gedanken auf und entwickelst so ein Moodboard für Deine aktuelle Lebenssituation. Im besten Fall wird es im Laufe der Zeit zu einem Visionsboard für Dein Leben, das Dich in Deinen Wünschen bestärkt und Dich Deinen Zielen näherbringt. Wort für Wort und Seite für Seite.

 

Einleitung – Hauptteil – Schluss

Der erste Satz ist der schwerste – wenn Du das noch unbeschriebene Blatt Papier vor Augen hast und überlegst, wie Du beginnen sollst: lass es. Höre auf zu überlegen, sondern schreibe einfach drauf los. Es muss auch gar kein ganzer Satz sein. Stichworte genügen.

Vielleicht magst Du Dinge, die Dir wichtig sind, unterstreichen, umkreisen oder mit einem Ausrufezeichen versehen. Journaling heißt nicht unbedingt, einen Roman schreiben zu müssen. Im Gegenteil: Schon kurze Notizen helfen, sich einen Überblick über die persönlichen Themen zu verschaffen und die eigenen Gedanken dazu zu sortieren.

Die Einleitung ist in diesem Fall die Zeit, die wir uns bewusst nehmen, um uns mit uns selbst zu beschäftigen. Der Hauptteil ist das eigentliche Schreiben, Durchstreichen, Überdenken und wieder neu schreiben. Zum Schluss steht die Erkenntnis nachlesbar auf dem Papier. Und wenn Du irgendwann wieder zweifelst, dann blättere zurück und erinnere Dich wieder, was Dich zu Deinen Entscheidungen bewegt hat.

Schreibe einfach drauf los, aber bleibe immer bei Dir!
Deine Marloes